O F F . W H I T E . Z O M B I E

In WHITE ZOMBIE (1932) wankten erstmals sogenannte "Zombies" über die Kinoleinwand. Gemeinsam mit dem Wiener bernhard.ensemble holt Ralph Turnheim den vergessenen Klassiker aus dem Grab. Durch eine neue Synchronisation. Live. Lyrisch. Weanerisch.
Wiederaufnahme der Wiedererweckung: 02.12.17 in der OFF.WHITE.BOX.

 

 

Hier zählte der Leinwand-Lyriker die Tage bis zur Premiere. Und gibt fetzenhafte Einblicke in sein Hirn.

Schon 3 Tage nach der Premiere ...
Seit dem letzten Eintrag ist viel passiert. Vor allem kein oder kaum Internetzugang. Aber auch die Fahrt nach Wien, die intensiven Proben mit dem Ensemble und - last but not least - die Premiere. Die Aufregung bei allen Beteiligten war groß. Der Druck, auf die Sekunde genau und sogar genauer seine Text zu sprechen, war für die Kollegen völlig neu. Während der einwöchigen Probenzeit waren alle nicht nur mit Professionalität, sondern leidenschaftlichem Ehrgeiz bei der Sache. Selbst habe ich wenig geschlafen, aber wollte es auch gar nicht. Es ist uns gut gelungen. Unseren Premierengästen hat es offenbar sehr, sehr gut gefallen. Kleinere Fehler wurden verziehen. Und sogar meinen abgeschmackten Blondinenwitz nahmen mir die Leute sicher nicht wirklich übel...
Einer der beliebtesten Soundeffekte - alle Schauspieler sind ja auch für die Geräusche zuständig - entstand erst am Morgen der Premiere: Das Flattergeräusch des Geiers bildet Tamara Stern mit einem Regenschirm nach. Gut, dass zufällig einer im Foyer des Theaters war. Tamara hatte ihn vor Wochen nämlich da vergessen ...
Heute folgt die zweite Vorstellung. Gefühlt sind die bei mir immer noch besser als die erste. Wir freuen uns!

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Noch 11 Tage ..
Die Nacht fast durchgemacht. Doch ein erhebendes Gefühl: Der Text nimmt Form an. Und er ist durchaus formschön! Als hätte ich eine haushohe Skluptur gemeißelt, die sich aus diesen momentan rund 50 Seiten (Schriftgröße 12) gen Himmel streckt und sich geschmeidig in die Filmlandschaft einschmiegt.
Natürlich warten meine Kollegen schon auf ihren Text. Jedoch: Je genauer ich jetzt arbeite und die Verse passgenau schnitze, umso weniger Aufwand und mehr Freude haben wir bei den Proben.
Ein paar Stunden meißen, schnitzen und feilen liege noch vor mir. Erst dann kann ich das Werk aus der Hand geben. Es wird eine Erleichterung sein nach all den Wochen und durchwachten Nächten. Ich glaube, wann immer ich zuletzt außer Haus war - im Supermarkt, in den Werkstätten wegen der Auto-Reparatur und TÜV, dem Hutgeschäft wegen des passenden Hutes zu dieser Produktion (toller Hut!) - wann immer ich also mit Menschen zu tun hatte, sie hielten mich wahrscheinlich für eine Art Zombie, der nicht ganz bei der Sache und höchst "strange" ist. Ja, ist bei mir immer so. Aber zuletzt war's arg, echt.
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HURRA! Der Text wurde heute fertig! Ich bin völlig übermüdet und -dreht und nach nach monatelanger Arbeit wahnsinnig erleichtert. Das Fundament ist gelegt. Jetzt können wir Schauspieler darauf tanzen...

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Noch 13 Tage ...
Ruhelosigkeit prägt die Tage und Nächte. Das blaue Licht der Computeroberfläche legt sich wie ein Nebel um meine forschenden Pupillen. Die Hirnwindungen wuzeln sich zusammen wie die Finger von Bela Lugosi. Im Film lenkt er so die toten Geister seiner Zombies. Im echten Leben platziere ich leblose Worte. In richtiger Reihenfolge, an exkater Stelle zum Filmbild, entsteht sowas ähnliches wie "Geist" und "Leben". Natürlich wollte ich schon lange fertig sein. Aber rund 70 Filmminuten brauchen eben viele exakt platzierte Worte ...

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Noch 20 Tage ...
Welch vorzüglicher Fund: Das Original-Drehbuch! Sämtliche akustischen Verständnisprobleme sind jetzt Vergangenheit!
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Noch 23 Tage ...
Mir fällt immer wieder auf, wie schön der Film gefilmt wurde. Der Kameramann wußte offensichtlich, was er tat. Arthur Martinelli lernte sein Handwerk in der Stummfilmära. Davon profitiert der Streifen immens. Er hat es geschafft, einem unabhängig produziertem B-Movie einen unübersehbaren Hauch von Klasse zu geben. Dabei drehte er den Film in nur 11 Tagen ...

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Noch 25 Tage ...
Während ich die Tage und sehr späte Abende mit Schreibmarathons verbringe, hier eine Kuriosität zum OFF.WHITE.ZOMBIE-Trailer: Die automatisch generierten Untertitel von YouTube hatten Probleme mit dem Wienerischen. Nur eine einzige Zeile wurde richtig wiedergegeben. Ich habe die Untertitel im Video korrigiert. Doch hier der ganze Trailer, so, wie ihn YouTube verstand (Zeilen-Unterteilung genau übernommen):

die augen und schauen liebsten rein
nicht betroffen war
das klang wird gewinnen denn die bienen
welt gebraut wird
dann leuchten ihre totenglocken logos
augen die glocken will er die reifen
haben munkelt ergründen durch die macht
des bösen
es kennt alle tricks vollständig die
totenwürde auf vergraben
die falsche praktisch nur aufgeladen als
brav in seiner firma schuften lohnt love
life mit maden du für david lowe dem
verfügt ging an rudolf b
ich bin ich doch dazu und jetzt kann
ihr habt ihr dunkles nach 35 meter vom
verbot gemessen atem hat getätigt der
doktor hatte war bestätigt in der
grafik power will die schönheit braucht
das sicher wiener sie besitzen besuch
bringt jeden mann ins schwitzen
in jedem mann weckt sie das wilde
dastehende doppelstern die gotik schaut
es hohe herbig die verzierten schiene
braut geht dem herzl untertaucht
wehrlos leben lassen knallen den ersten
runden von all das wird von sony gab
kreuze auf boni und finger so geschminkt
noch nie war böse so perfekt vielleicht
die zeit
wir verdienen den weg zum 3

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Noch 31 Tage ...
Vor mir ein dickes Notizbuch mit Kitzeleinen. Ebenfalls vor mir: der Laptop. Nun wird getippt. Es beginnt die Stunde der Wahrheit: Was taugen meine Aufzeichnungen der letzten Monate? Und: Kann ich meine Schrift lesen?
...
Ich kann. Es ist eine Reise in längst vergessene Gedankenblitze (hellere und dünklere). Eine zufällige Auswahl, frei vom Kontext:

Da Mond scheint auf 'm Totenhügel.
Da Chauffeur peitscht mit die Zügel.
*
Ka Leichen stört da Straßenlärm
frisst sich da Wurm durch das Gedärm.
*
Die, die nicht in Gräbern liegen
im Gänsermarsch um d' Ecken biegen.

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Noch 31 Tage ...
Genau in einem Monat also...
Synchron zum Datum bin ich im großen Finale von "White Zombie" angelangt. Es steigt die Aufregung und Spannung. Auch im Texterherz. Finde ich die richtigen Worte für den Abschluss? Der größte Traum: Das Film-Finale ohne Änderung, doch mit der Einsicht, die nur ein Erzähler geben kann, so zu verbessern, dass er den Zuhörern unter die Haut geht! Und wo wir schon dabei sind: Auch ans Zwerchfell.

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Noch 32 Tage ...
Endspurt 1, Teil 1. Nach sechs Stunden texten ist mein Hirn recht ausgewrungen, aber zuversichtlich. Bald bin ich mit den Skizzen und Notizen den Film ganz durch. Damit liege ich gut in der Zeit. Dass ich einige Male richtig lachen musste, werte ich mal auch als gutes Zeichen. Am Wochenende werde ich diesen Arbeitschritt abschließen. Ich habe dann eine Fülle an Material und Ideen, von Anfang bis Ende, sehe den Bogen, die Lücken und die Höhepunkte. In den folgenden zwei Wochen vollende ich dann die erste Textfassung. Der Frühling hat begonnen - und meine Tage werden länger.
*
Vers des Tages (aus dem Notizbuch):
"Die Welt voll Glück und Wunder ist
betätigt man sich als Sadist."

***.

Noch 34 Tage ...
Keine Frage, Zeit wird knapp. Es gibt nie genug Lebenszeit. Ideen haben ist leicht. Ideen umsetzen ist auch leicht. Aber Ideen gut umzusetzen ist verdammt hart. Für die Besucher der Vorstellung wird es kleine, feine Überaschungen geben. Zum Anfassen, nicht nur zum Hören. Parallel zum Texten - und meinen sonstigen Vorstellungen und Planungen - habe ich sie nun in die Wege geleitet. Der Teufel steckt im Detail. Die Schönheit aber auch.
Den Film selbst sehe ich immer schärfer. Im Erschreiben wird er mir auch immer weicher und vertrauter. Der Stress könnte mich auffressen, die Welt aus Film, Worten, Gedanken mich verschlingen. Die Komik aber atmet den Geist und das Verständnis, dieses wiederum wächst aus der gesunden Distanz. Im Ringen um den frischen, passenden, überraschenden Text muss ich Widersprüche verbinden, locker zwischen Extremen hin- und herhüpfen. Mitfühlend und analytisch sein. Witz springt aus der Klarheit des Wahnsinns.
Oh, es wird mein bisher dunkelhumorigstes Programm. Es ist ein Horrorfilm, und ich habe nicht vor, das zu verleugnen. An einigen Stellen bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Eine Film-Reviewerin auf YouTube sagte unlängst anlässlich des aktuellen Horror-Films "Get Out", Komiker hätten gequälte Seelen. "Get Out" ist der erste Spielfilm eines in den USA bekannten TV-Komikers. Er wurde hochgelobt. Nicht erst seit den Horror-Clowns wissen wir, wie nah Komik und Schrecken beieinanderliegen... Wie das Publikum auf "meinen ersten Horrorfilm" reagiert, weiß ich in der Nacht auf 26. April. Noch 34 Tage ...

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36 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Endlich kehre ich wieder zum Filmtexten zurück. Ich schwanke zwischen Lockerheit und Besessenheit. Reime aus dem Ärmel schütteln, ohne drüber nachzudenken, hat seinen Charme. Und ich komm schnell voran. Doch dann gibt es immer wieder Filmmomente, das spür ich: Hier sollte ein Diamant gepresst werden. Mir ist heute beides gelungen, denke ich. Doch mit einer Stelle habe ich ein Problem. Nicht die Reime fehlen. Sondern die Interpretation des Inhalts. Ich verstehe die Szene nicht genau. Was wollten die Filmemacher erzählen? Ich muss vorerst dieses Lücke lassen. Mir wird die Lösung kommen ...

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39 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Besondere Eintrittskarten sind im Druck. Ab Ende März sind sie im OFF-Theater im Vorverkauf erhältlich. Wann immer möglich, designe ich diese Drucksachen selbst. Plakat, Eintrittskarte - all das sehe ich als Teil des Erlebnisses. Während das Plakat diesmal eines aus dem Haus sein wird, ist die Eintrittskarte meine. Aber Eure. Ihr wisst schon...
Man legt immer große Hoffnungen und viel Herz in seine neuen Projekte. Mit jedem will man die Grenzen ein wenig Richtung Horizont verschieben. Egal, wie viele Menschen ich diesmal auf Anhieb erreichen werde - es sind auf jeden Fall mehr beteiligt als je zuvor. Ich stelle kurz das Ensemble der Stimmen vor: Ernst Kurt Weigel ist der Leiter des OFF-Theaters, wo er selbst spielt, schreibt und inszeniert. Den Kollegen kenne ich seit meiner Schauspielschulzeit: Wir beide sind Abkömmlinge der Wiener Schauspielschule Krauss. Mein Abschluss ist mittlerweile auch schon 20 Jahre her! In einer großen Schulproduktion spielten wir zusammen. Später hatte ich ihn für ein kleines, von mir geschriebenes Projekt engagiert. Vor etwa zwei Jahren kontaktierte er mich wieder, um meine Leinwand-Lyrik in seinem Theater zu machen. Die Vorstellungen führten zu dieser exklusiven OFF-Produktion.
Fortsetzung der weiteren geschätzten Kollegen folgt, Ich muss zur Vorstellung. Auch die nächsten zwei Tage sind von Aufführungen aus meinem stolzen Repertoire geprägt. Der Zombie schnauft weiter, aber muss erst mal warten.

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41 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Für die Bewerbung müssen die Weichen gestellt werden. Gestern haben wir den Trailer mit der eigens eingespielten Musik von Jenny Lippl vervollständigt. Heute habe ich ihn auf YouTube hochgeladen. Sobald das Programm auf der OFF-Theater-Website groß angekündigt wird (bald!), bewerbe ich den Trailer... Leser dieses Blogs können ihn hiermit schon jetzt entdecken. Mir macht er große Freude. Zum ersten Mal schrieb ich einen eigenen Trailer-Text, ließ ihn von Schauspielern einsprechen, machte die Geräusche und mischte es mit exklusiv eingespielter Musik. Viel Spaß!

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43 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Heute fand ich eine Lösung zu einem Vers, der mich seit knapp zwei Wochen beschäftigte. Hey, ich hatte noch viele andere, um die ich mich kümmern musste - und die rettenden Ideen kommen meist dann, wenn man längst vergessen hat, dass man retten muss.
Der Tag hat schrecklich begonnen. Noch in der Nacht lief eine Auktion für einem Film aus, den ich unbedingt für ein Programm haben wollte. Aufgrund der Summierung widriger Umstände (Computer-Zicken, reicher Mitbieter...) hat die schlaflose Nacht nur die Zerstörung des Traumes gebracht. Das letzte Mal, als die Ersteigerung eines Films - wir sprechen natürlich von echtem 16-mm-Schmalfilm! - so spannend war, das war letzten Oktober: "White Zombie" hieß der. Sie lief am Tag einer Vorstellung aus. Wenn ich diese Filmkopie nicht bekomme, müsste die Produktion ohne echten Film auskommen und per DVD projiziert werden. Welch ein Verlust an Atmosphäre und Stil! Werde ich es rechtzeitig von der Vorstellung ins Hotel schaffen? Wird das W-Lan des Hotels funktionieren? Werde ich den Bieterkrimi vermasseln oder gar von einem anderen Freak haushoch überboten werden? Kurz: Es wurde eine der teuersten Anschaffungen meiner Schmalfilmsammlung. Aber es hat alles funktioniert. Als die Kopie etwa ein Monat später aus den USA bei mir ankam, war ich ein weiters Mal erleichtert: Es ist ein wirklich schöne Kopie mit Seltenheitswert. Ich freue mich sehr darauf, sie Euch bei den Vorstellungen mit augenfreundlichen Licht einer 500 Watt Glühbirne an die Wand zu strahlen!

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48 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Hatte ich bereits erwähnt, wie misslungen die deutsche DVD-Fassung ist? Ja, eh. Doch habe ich auch die Musik dieser deutschen Fassung erwähnt? Grauenhaft. Für viele frühe Tonfilme wurde im Zuge der Synchronisation eine neue Musik eingespielt. Mit dem Original hatte die oft nur wenig zu tun. Die Laurel-und-Hardy-Filme litten meines Erachtens sehr darunter. Und eben auch "White Zombie". Ich bin jedoch sehr, sehr optimistisch, dass wir auch musikalisch im Off-Theater etwas Besonderes hinbekommen: Mich erreichten die Einspielungen zu unserem Trailer. Jenny Lippl, die beeindruckende Geigerin, wird unsere Produkion auch live begleiten. Von dem, was ich nun gehört habe, bin ich sehr begeistert. Ich wollte eine Violine, ich wollte das Weinen der Geige, die Romantik, die Sehnsucht, die Fröhlichkeit, das Quietschen. Und ich bekomme es. Sie wird die Leinwand-Lyrik herrlich zum Schwingen bringen. Liebe Mitleser, erwartet den Trailer in der nächsten Woche! Wir lesen uns in drei Tagen, denn meine Sachen sind gepackt und meine Filmspulen gespult für Vorstellungen morgen und übermorgen ...

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50 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Vermutlich sollte es besser heißen: 50 Tage bis zur
Wiedergeburt der Untoten?
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Es könnte sein, dass ich die Schlusspointe für den ersten Teil gefunden habe. Sie war lange verschollen.
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Neben dem idiotischen Text der deutschen DVD-Version wird bei unserer Wiener Synchronisation noch etwas fehlen: Die gräßliche Musik. Zum Glück werden wir eine wunderbare Geigerin am Start haben.
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Verdammt, nur noch 50 Tage. Diesmal kann ich den Text nicht erst am Tag der Premiere fertig haben. Das machte die Kollegen ja verrückt. Die Proben beginnen schon am 18. April, eine Woche vor der Premiere. Natürlich brauchen die Schauspieler das Textbuch bereits vorher für die Vorbereitung. Keiner von den dreien hat jemals zuvor einen Film live synchronisiert. Erst recht nicht leinwand-lyrisch. Also, mir wird die nächsten 50 Tage bestimmt nicht langweilig!

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51 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Zwar kann ich nicht schreiben, wenn ich für Vorstellungen unterwegs bin. Aber die Vorstellungen, die mich vom Schreiben abhalten, inspirieren und motivieren mich. Heute kehrte ich also zum aktuellen Projekt zurück. "White Zombie" ist kein Film, der mich schon seit Jahren oder Jahrzehnten begleitet. Anders als bei Buster Keaton, anders als bei meinem Star-Trek-Projekt, erobere ich mir den Film, weil ich mich als Leinwand-Lyriker dazu entschieden hatte. Ich hatte mich dazu entschieden, nicht, weil ich den Film kannte oder bereits bewunderte. Sondern weil er ein früher Vertreter eines Genres ist, das ich bis jetzt nicht im Reptertoire hatte: Horror. Dieser Film kreierte mit seinen Zombies die heute wichtigsten Horror-Figuren. Wenn man die Qualität eines Werkes an dessen Nachwirkunge bemisst, ist "White Zombie" einer der besten Horror-Filme überhaupt. Zombies sind eine Schlöpfung des Kinos. Anders als Dracula (ebenfalls von Bela Lugosi ikonisch verkörpert, kanpp vor der Produktion von "White Zombie") oder Frankensteins Monster standen keine Romane Pate. Zombies sind, wenn so will, purer Kino-Schrecken. Doch dieser, erste Zombie-Film ist anders als alle, die danach kamen. Die Regeln, was ein Zombie ist, waren noch andere (ich habe es bereits erwähnt). Und die Atmosphäre ist eine andere. Und zwar grundlegend. Der Horror entlädt sich nicht in den "jump scares", wie sie heutige Horror-Streifen prägen. (In Wahrheit schaufelte sich das Genre durch den immerwährenden Griff in diese cinematographische Trickkiste das eigene Grab und torkelt nun meist recht seelenlos ummanand.) Der Grusel lauert woanders. In der verqueren Sicht auf die Dinge, die Menschen, das Leben. Es ist der Horror, der die Geschichten von Edgar Allen Poe so unter die Haut gehen lässt. Es geht um den schauerlichen Abgrund menschlicher Psyche, nicht um den offenbaren Schrecken spritzenden Blutes oder mörderischer Monster. Dass uns dieser Abgrund mit den Generationen vor uns verbindet, macht der 85 Jahre alte Film deutlich. Das alte schwarz-weiß Material mit längst verstorbenen Darstellern wirkt heute aus diesen Gründen noch angenehm-gruseliger. Die Leinwand-Lyrik wird sich jedenfalls prächtig entfalten. Leidenschaftliche Liebe, Verachtung, Hass und Tod prägen "White Zombie". Und sind ein Nährboden für schöne Worte und abgründige Verse.

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"Brave sind nett, Böse charmanter,
Brave verzweifelt, Böse entspannter."

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54 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Ich bin in der 40. Filmminute. Es ist rührend.

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55 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Noch ein Gustostückerl aus der deutschen Synchronisation, wie sie mir auf DVD vorliegt: Während im Original Dr. Brunner erklärt, worin der feine Unterschied zwischen Aberglaube (Tote werden aus Gräbern gestohlen und zu Zombies gemacht) und Fakten (Totgeglaubte werden gestohlen und zu Zombies gemacht) besteht, legen die Kollegen von der deutschen Synchro ihm dieses in den Mund: Lugosis Figur (sie wird im Original nicht erwähnt) brauche das Blut der jungen, toten Braut, um zu überleben, und machte sie deshalb zum Zombie. Das hat viel zu tun mit Lugosis berühmter Rolle als Dracula. Die spielte er aber in seinem vorherigen Film. In diesem spielt Blutdurst keine Rolle. Es geht deutlich psychologischer zur Sache.
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Mein Geist kämpft derweil mit der letzten Strophe des 1. Teils. Für den Beginn des zweiten lief es dann plötzlich inspiriert. Noch besser lief es allerdings, gäbe es in der weiten Welt einen gescheiten Reim auf "Fleisch".

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56 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Welch hübsche Kameraführung der Film zu bieten hat! Wie intensiv und anders man einem Film kennenlernt, wenn man dazu Verse schmiedet! Meine Laune steigerte sich heute, und trotz Zeitdruck schwelgte ich ein wenig im Bilderwerk. Ließ mich beeindrucken vom Zusammenspiel mit den Geräuschen. Auch der Grundkonflikt wirkt auch mich inspirierend. Der verliebte Mann, die seelenlose Frau, das Drama dazwischen.
Apropos "dazwischen". Nachdem ich etwas mehr als die Hälfte des Films durchkämmt habe und den Spannungsbogen eine Spur tiefer wahrnehme, habe ich mich entschieden, die geplante Pause anders als bisher gedacht zu platzieren. Dieser Entschluss mag jetzt nicht dramatisch wirken. Aber wo die Pause für den Spulen-Wechsel sein soll, war fast das erste, was ich von Anfang an über die Aufführung "wußte". Jetzt lass ich also davon ab. Weil mir der Film und mein Text anderes befehlen ...

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57 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Was hab ich mir da nur aufgehalst? Ich bin in der 37. Filmminute. Mein Hirn dreht durch. In Reimen lippensynchron zu schreiben, na gut. Aber auch noch im Kreuzreim, wie in dieser Szene von mir brillant ausgedacht? Na danke. Wie eine Schnecke schleimt mein Sprachzentrum um jede Dialogzeile der beiden Schauspieler auf der Leinwand, die offenbar einen guten Teil ihres Geplappers improvisieren. Hat sich so Erika Fuchs gefühlt, als sie Donald Duck einst mit klassischem Anstrich übersetzte?

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58 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
"Macht man zeitgleich zweierlei, ist man bei keinem ganz dabei", heißt es in "Sherlock Jr". Ich musste die letzten Tage also Zombies Zombies sein lassen, um meinen ersten Leinwand-Lyrik-Workshop mit ganzem Herzen zu leiten. Es lief gut, und auch die Pause am Projekt vermag zu inspirieren.
Für die sechsminütige Szene in einer Kamerafahrt (hatte zuletzt davon berichtet) hatte ich mir eine noch verspieltere Vertextung ausgedacht. Ob es funktioniert, weiß ich noch nicht.
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In diesem ersten Zombie-Film waren die Zombies noch nicht die Untoten, als die wir sie heute kennen. Die Zombies unserer Zeit entsteigen ihren Gräbern oder werden durch Zombie-Attacken zu Untoten, um Hirn und Fleisch von Lebenden zu verspeisen. In ihrer Ur-Fom waren sie jedoch "nur" seelisch tot. Herz und Hirn wurde durch schwarze Voodoo-Magie ausgeschalten. Der Voodoo-Meister übt dann Kraft seines nicht minder schwarzen Geistes Kontrolle über diese armseligen Sklaven aus. Ich bearbeite gerade die Szene, in das Konzept durch den Herrn Doktor erklärt wird. Und darin steckt - in der Rückschau - eine ziemliche Ironie. Er macht nämlich deutlich, dass die Furcht der Eingborenen vor "lebenden Toten" im Prinzip Aberglaube ist. Der Tod wurde nur durch Voodo-Zauber vorgetäuscht. Diese "falschen Toten" werden dann aus ihren Gräbern gestohlen und sodann als "Zombies", also willen- und seelenlose Sklaven eingesetzt. Das ist jetzt nicht unbedingt logischer. Aber: Die heutige Interpretation liegt näher am "Aberglauben" der ersten Version.

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63 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Eine Vorstellung hält mich meist zwei Tage beschäftigt. Sie ist meist mit einer längeren Reise verbunden. Auch wenn ich nicht zum Schreiben komme: Im Kopf arbeitet es weiter. Während der Fahrt rüttelt sich manchmal der ein oder andere bereits geschriebene Vers zurecht. Oder die Pointe wird geschliffener. Ich darf dann nur nicht vergessen, alle neuen Ideen zu notieren...
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"White Zombie" wurde in nur 11 Tagen gedreht. Ein klassisches B-Movie. (Wie lange es dauerte, ihn zu schreiben, ist nicht überliefert. Gut möglich, dass ich länger dran sitze als der Original-Autor.) Dennoch finden sich einige cinematographische Extravaganzen in dem Streifen. Heute bin ich z.B. bei einer sechs-minütigen Szene angelangt, die in einem Take gefilmt wurde. Sechs Minuten kein Schnitt. Doch die Kamera bleibt recht dynamisch in Bewegung. Man merkt auch hier den Zeitdruck während der Produktion: Einer der beiden Schauspieler irrt sich ein-, zweimal im Text, korrigiert sich, und macht weiter. Perfektion kostet Geld. Das gab es nicht. Aber das ist kein Grund, auf Ambition zu verzichten.

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66 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Heute bin ich eindeutig zu früh aufgestanden. Meine Hirnzellen stehen unter Schock, von dem sie sich vermutlich erst in Tagen erholen werden, wenn überhaupt. Trotzdem fläze ich mich in die Couch, schlage mein Noitzbuch auf und lasse die Leinwand ein und diesselbe Stelle des Films wiederholen. Hm. Kritzel. Naja. Wird wohl diese eine einzige Stelle, die nicht zum Totlachen geistreich genial komisch ist.
Gestern hatte ich ein schöne Zeit. Nur wirken die Sätze selbst halt gar nicht lustig, so out of context. Zum Beispiel: "Es sprach der Herr von ganz oben / ein jeder wird einmal geschoben." Findet doch keiner witzig, wenn er das liest. Aber ich hab mich so fein gefreut gestern. Mit den Bildern. Mit dem, was davor war. Mit der Vorstellung, wie und wann es im Film vorgetragen wird. Wunderbar! Eventuell. Ob der Vers so bleibt, zeigt sich in 66 Tagen. Weil der Kontext kann sich ja noch ändern ... Hamur is a Vogerl.

Bela Lugosi spielt sich einen Wolf. Das fällt auch mir auch mit Matschhirn auf. Sein selbstbewusster, theatralischer Pathos wirkt durch seinen Humor durchaus zeitlos. Er umarmt seine Rolle des Böslings in diesem Billig-Streifen mit bewundernswerter Hingabe und Professionalität. Möge mein Hirn noch ähnlich erleuchten heute, denn morgen bin ich zur Gänze mit einem Auftritt beschäftigt.
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Am Ende des Tages kamen meine Ganglien auf Touren. Die Filmminuten von heute: Lugosi bricht mit seinen Zombies in die Gruft der toten Braut ein. Mit dabei: Der abgewiesene Liebhaber der schönen Toten. Lugosi stellt ihm seine Zombie-Helfer vor. Der größte und stärkste war als Mensch der Scharfrichter. "Er hätte auch mich fast hingerichtet", erzählt Lugosi feixend im Original (frei übersetzt). Wieder macht mich die deutsche Fassung fassungslos. Sie lässt diese Vorstellung völlig aus. Stattdessen schwafelt Lugosi wiederholt, dass er die Zombies unter Kontrolle hat. Sowas sagt er dauernd. Das schlaucht beim Zuschauen. Die Original-Dialoge sind schon nicht das Gelbe von Ei. Aber die deutschen... Eieiei. Ich habe fast Lust, die Wiener Synchronfassung für die DVD zu produzieren.

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67 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Rund 40 Seiten meines Notizbuches sind bereits beschrieben. Die ersten Ideen schreibe ich mit der Hand. Minute für Minute gehe ich den Film durch. Derzeit bin ich bei der 24. Filmminute. Das Hochtzeitsmahl. Manche Dialogzeilen sind im Original schwer bis gar nicht zu verstehen. 1932 waren die Tonaufnahmen noch problematisch. Vermutlich werde ich nie enträtseln, was die Braut an dieser einen Stelle zum Bräutigam sagt.
Noch schlimmer ist allerdings die deutsche Synchronisation (ich arbeite beim Texten mit der DVD - doch eine wertvolle 16-mm-Filmkopie liegt vor mir im Regal! Sie kommt bei den Vorstellungen zum Einsatz). Ich weiß nicht, wann diese deutsche Fassung entstanden ist. Aber so einen Schmarrn hab ich selten gehört. In der Szene gibt der Bräutigam seiner Braut das Glas. Sie solle spaßenshalber seine Zukunft daraus lesen. Was sie macht (und wovon ich leider nur "Happiness" und "Love" verstehe). Die deutsche Synchro kümmert sich Null um das Original. Er reicht ihr das Glas mit einem banalen Glückwunsch weiter, sie gibt ebensolche banalen Glückwünsche retour, während sie völlig debil immer wieder in das Glas zwischen beiden Händen starrt. Eins steht fest: Die Leinwand-Lyrik, so "parodistisch" sie auch sein wird, wird sich näher am Original halten!

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68 Tage bis zur Geburtsstunde der Untoten.
Heute wurde die Vertonung des Trailers fertig. So gut wie. Fast. Die in Wien eingesprochenen Dialoge der Sprecher sind platziert. Die Soundeffekte soweit auch komplett. Am faszinierendsten: Die Pferdekutsche. Und die Grillen. Ersteres besteht aus Küchenutensilien: Schüssel, Holz-Schneidbrett und eine alte Kaffeemühle. Die Grillen zirpen dank einer Holz-Grille (geschnitztes Instrument mit Zacken und Holzstab, den man darüber streicht) täuschend echt. Die wird auch bei der Live-Synchro zum Einsatz kommen. Für die Pferdehufe habe ich bereits Kokosnussschnalen bestellt.
In Wien wird noch unsere Geigerin für die musikalische Atmosphäre des Trailers sorgen.

 

Premiere: 25.04.2017 | Dauer: ca. 70 Minuten (plus Pause und Publikumsgespräch)

 

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